Begegnung

Merkur Interview in Corona-Zeiten “Lasst uns das lustvoll anpacken”

1) Herr Fischer, was macht die Kunst? Inwieweit spüren Sie die Corona-Krise?

Die Kunst im öffentlichen Raum liegt brach. Meine Ausstellung in der Oberen Stadt ist zu, die Ausstellung im Stadtmuseum war nur 1 Tag geöffnet, die Bild-Versteigerung für das MGH Weilheim ist verschoben, “wERDschätzung in Landsberg“ kann nicht anlaufen, weil das Landratsamt geschlossen ist, weitere Projekte liegen auf Eis und sind ungewiss.

2) Was würden Sie jetzt tun, wenn es all die Beschränkungen nicht gäbe?

Ich wäre mit den genannten Projekten gut beschäftigt. Ansonsten hat sich mein persönlicher Alltag wenig verändert.

3) Was tun Sie stattdessen

Im Atelier bin ich gerade sehr aktiv beim Erforschen neuer Formen und Themen. Diese gewaltigen kollektiven Turbulenzen, dieses gesellschaftliche Rumpeln und Knarzen müssen aber auch innerlich verarbeitet werden. Deshalb verwende ich mehr Zeit als sonst für Meditationen und Spaziergänge in der Natur.

4) Was bedeutet diese Krise finanziell für Sie?

Ein klarer Einbruch, wobei sich vieles eher langfristig auswirken wird, da die Planungen lange im voraus geschehen und aktuell nicht weiter verfolgt werden können. So könnten auch Herbst und Winter diesen Jahres für mich finanziell schwierig werden.

5) Und was bedeutet die Krise menschlich für Sie?

Es ist ein Ruf nach einem neuen Menschsein, ob persönlich oder gesellschaftlich. Es geht um ganz konkrete Veränderungen in der Lebensweise, was die Klimakrise bisher nicht bewirken konnte. Die Ausgangssperre – gleichgültig ob gerechtfertigt oder nicht – führt uns plötzlich konkret vor Augen, wie schnell Wandel und Veränderung passieren können und dass stupides Festhalten am Bisherigen keine Zukunft hat.

6) Was kann Kunst in dieser Zeit leisten?

Die Kunst spielt mit Zukunftsszenarien, visualisiert sie,  führt sie vor, testet sie und bietet Räume der Reflexion. All das brauchen wir dringend für eine aktive Zukunftsgestaltung. Künstler sollten endlich als ernsthafte Berater und Visionäre für gesellschaftlichen Wandel verstanden und entsprechend honoriert werden. Die festgefahrene Situation heute hat viel damit zu tun, dass Kunst nur noch in der Form von Unterhaltung lukrativ war und nicht als Experimentierraum mit gesellschaftlicher Relevanz gesehen wurde.

7) Das Kunstforum hat ja momentan eine Ausstellung im Stadtmuseum, aber das Museum ist geschlossen. Wie gehen Sie damit um?

Wir wollen die dort ausgestellte Kunst online, also auf der Homepage www.kunstforum-weilheim.de, verfügbar machen und deshalb arbeite ich gerade an einem Video, das die Ausstellung virtuell zugänglich machen soll.

8) Planen Sie im Kunstforum überhaupt noch für die nächsten Monate?

Ja, wir haben Pläne für Herbst und Winter und wollen unsere Ateliertage, eine Ausstellung von Künstlerbüchern und die 20-Jahr-Feier des Kunstforum e.V. nutzen, um weiterhin die vielfältigen hervorragenden Arbeiten der KünstlerInnen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

9) Letzte Frage: Gibt es irgendetwas Positives, das Sie der derzeitigen Lage abgewinnen können?

Sehr viel. Ich sehe an der Ammer so viele Kinder, die voll glücklich darüber sind, mit Mutter UND Vater unterwegs zu sein. Ich sehe Nachbarn, die sich mit beeindruckender Mischung aus Umsicht, Freundlichkeit und Gelassenheit der Situation stellen. Und ich sehe eine Gesellschaft, die endlich die notwendige Watschn bekommen hat, um loszulassen von Besitzstandsdenken und sich der Wirklichkeit einer herausfordernden Zukunft zu stellen. Lasst und das lustvoll anpacken.

Drei Takte Hoffnung von Frank Fischer

1. Das gibt mir zurzeit Hoffnung:

Das Lachen der Verkäuferin, die gute Laune des Paketboten und die vielen Künstler und Heiler weltweit, die mit Video-Botschaften und Live-Darbietungen über alle Kulturen hinweg die Menschen miteinander verbinden und für ein globales achtsames Miteinander im Einklang mit Mutter Erde werben

2. Ein Werk/ein Vers, das/der mich durch diese Krise trägt:

“Lass Dich fallen. Lerne Schlangen zu beobachten. Pflanze unmögliche Gärten. Lade jemand Gefährlichen zum Tee ein. Mache kleine Zeichen, die ja sagen und verteile sie überall in Deinem Haus. Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit. Freue Dich auf Träume. Weine bei Kinofilmen, schaukle so hoch Du kannst mit einer Schaukel bei Mondlicht. Pflege verschiedene Stimmungen, verweigere Dich, verantwortlich zu sein – tu es aus Liebe! Mache eine Menge Nickerchen. Gib Geld weiter. Mach es jetzt. Das Geld wird folgen. Glaube an Zauberei, lache eine Menge. Bade im Mondschein. Träume wilde, phantasievolle Träume. Zeichne auf die Wände. Lies jeden Tag. Stell Dir vor, Du wärst verzaubert. Kichere mit Kindern. Höre alten Leuten zu. Öffne Dich. Tauche ein. Sei frei. Preise Dich selbst. Lass die Angst fallen, spiele mit allem. Unterhalte das Kind in Dir. Du bist unschuldig. Baue eine Burg aus Decken. Werde nass. Umarme Bäume. Schreibe Liebesbriefe.“ ( Josef Beuys )

3. Wenn diese Krise ausgestanden ist, versuche ich das weiter zu berherzigen, was ich persönlich daraus gelernt habe.