„Verblüffend – als würde ich vor dem realen Gebäude stehen“
„Dieser Stand ist ein Highlight auf der Messe“
„Ein sehr ästhetischer Messestand mit toller Wirkung“
(Besucherzitate auf der Orla 2017)
Auf der Oberlandausstellung 2017 in Weilheim stand erstmalig der neue Messestand der Stadtwerke Weilheim, der große Aufmerksamkeit erregte. In diesem Beitrag mit vielen Fotos beschreibe ich meine Schritte von der Kreation bis zur Realisierung.
Wie wirkt ein 60m langes Gebäude auf einem 6m Messestand?
Der neue Gebäudekomplex, den die Stadtwerke vor den Toren von Weilheim 2015 bezogen haben, ist markant und weithin sichtbar. Es liegt auf der Hand, die Fassade als Wiedererkennungsmerkmal für zukünftige Messeauftritte einzusetzen. Mit diesem Wunsch sprach mich Vorstand Peter Müller Anfang des Jahres 2017 an: Das neue Gebäude soll zum „Key Visual“ des innovativen Weilheimer Versorgungsunternehmens werden.
Key Visual, Leitbild; visuelles (und akustisches) Grundmotiv, das die Positionierung einer Marke oder eines Unternehmens abbildet. Ein Schlüsselbild bestimmt den langfristigen visuellen Auftritt von Marken und Unternehmen (z.B. Marlboro Cowboy).
Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon
Als ich erst das Gebäude im Original und dann viele Fotos von unterschiedlichen Fotografen betrachtete, fiel mir auf, dass auf keinem der Fotos die Gebäudefassade frontal abgebildet war. Wer auch immer den Versuch gemacht hatte, die langgestreckte Holzfassade auf Foto zu bannen, tat dies intuitiv von einer Ecke aus. Denn die Architektur mit ihrer sich streng wiederholenden Säulenoptik kommt nur wirklich zur Geltung in einer deutlich perspektivischen Ansicht. Erst Fluchtlinien und Verjüngungen zum Horizont modellieren den typischen Charakter heraus.
Ein weiteres Problem waren die Proportionen. Wäre eine Seitenansicht des Verwaltungsgebäudes auf einer 6 m breiten Messerückwand abgebildet worden, wäre das 3geschossige Gebäde auf dem Großfoto gerade mal 1,4 m hoch gewesen. Als reines Architekturfoto sicher ganz nett, aber als Key Visual ungeeignet. Von den Messebesuchern verdeckt und überragt wäre es zu einer unscheinbaren Hintergrunddeko verkommen.
Fluchtlinien als visuelles Standkonzept
Ich musste demnach zu einer Visualisierung gelangen, die das Gebäude nicht einfach abbildet, sondern stärker interpretiert, um eine kraftvolle Wirkung und einen hohen Wiedererkenungswert zu erzielen. Ich beschloss, genau das umzusetzen, was mir die besten Fotos erzählten: Weg von der Reproduktion hin zu übersteigerter Dreidimensionalität als visuelles Standkonzept.
In einem gemeinsamen Workshop mit SWW-Vorstand Peter Müller entstand ein erstes Modell, das bereits überraschend wenig von der Endlösung abwich, wie sich schließlich herausstellen sollte. Ich verzerrte Ausschnitte aus Gebäudefotos unterschiedlich stark, um am kleinen Modell die visuelle Wirkung zu testen. Zusätzlich reduzierte ich Auflösung und Schärfe der Fotos, um die Illusion der dreidimensionalen Wirkung besser beurteilen zu können. Bei diesen Überlegungen ließ ich mich von grundlegenden Erkenntnissen aus der Wahrnehmungspsychologie leiten.
Das so enstandene Objekt hatte einen Grundriss in Form eines rechwinkligen Dreiecks und wurde so proportioniert, dass es als Stauraum und Lager auf der Messe dienen kann. Die vorderen Ecken des offenen Kopfstandes würden von zwei freistehenden Laternen markiert werden. Durch möglichst wenig optische Barrieren an den Flanken konnte ein sehr einladendes Gesamtbild entstehen, passend zu dem servicefreudlichen und sehr persönlichen Auftritt der Stadtwerke.
Die Realisierung beginnt mit der Fotografie
Mit meiner Vollformatkamera machte ich mich an die Aufgabe, das Gebäude so zu fotografieren, dass die 4,5 m breite Fläche genug Detail-Auflösung bietet. Zu unterschiedlichen Tageszeiten fotografierte ich Süd- und Ostseite des Verwaltungsgebäudes. Die fertigen Druckdaten der beiden Ansichten setzte ich aus mehreren Teilaufnahmen zusammen, ohne am Gebäude etwas zu verändern oder tiefgreifend zu retuschieren.
Entsprechend der ökologisch nachhaltigen Ausrichtung der Stadtwerke sollte der Stand soweit wie möglich wiederverwendet werden. Anstelle billiger Wegwerf-Leichtbauwände musste eine solide Konstuktion erschaffen werden, die dennoch leicht genug ist für Auf- , Abbau und Transport. Das dreieckige Mini-Gebäude mit 4m hoher Rückwand musste außerdem schwingungsfrei auf dem Zeltboden der Halle E stehen können – große Herausforderungen an die Messeschreiner. Nach diversen Anfragen bei Messeschreinern und Messebaufirmen beschlossen wir, den Stand mit der Hausschreinerei der Stadtwerke zu realisieren. Unter meiner Projektleitung eingagierten wir für die Großflächendrucke und die Fotobespannung ein externes Spezialunternehmen. Dies Konstellation wirkte sich nicht nur auf den Preis sehr positiv aus, sondern auch auf die Qualität der gesamten Ausführung. Als die Bespannungs-Profis zwei Tage vor Messebeginn in der Halle erschienen, waren sie äußerst zufrieden mit dem vorbereiteten Bauwerk und umhüllten das Objekt plangemäß mit den Fotodrucken.
Das fertige Ergebnis stand in der Halle vor mir und es wurde sofort klar, dass die Rechnung voll aufgeht. Die Wirkung des optisch verzerrten Gebäudesusschnitts haut voll rein. Immer wieder kommen Aussteller aus den anderen Hallen vorbei, um staunend stehen zu bleiben. Unser Messe-Key-Visual war ein echter Eye-Catcher. „Schon fast zu schön für diese Zelthalle“, wie ich von Passanten hörte. Einem Wiederaufbau bei der nächsten Orla in zwei Jahren steht nichts im Wege.